Pressemitteilung
Kreisstraße KEH 30 bei Lindkirchen; hier: Anträge zum weiteren Verfahren
Anträge von ÖDP-Kreisrat Peter-Michael Schmalz im Kreistag
Hiermit stelle ich folgende Anträge: 1. Der Beschluss des Kreisausschusses vom 19.02.02 wird aufgehoben. 2. Der Kreisausschuss tritt erneut in die Beratung über das weitere Verfahren KEH 30 ein. 3. Der Landrat gestattet den zuständigen Fachleuten des Naturschutzsachgebietes und des Verkehrssachgebietes, sowie dem zuständigen Fachjuristen des LRA Kelheim die Beantwortung von Fragen der Kreisräte in der betreffenden Sitzung. 4. Der Kreisausschuss beschließt im Interesse der Anlieger die zügige Sanierung der bestehenden KEH-30 Trasse unter angemessener Berücksichtigung der Anwohnerbelange (Auslegung der Trasse auf 10-jähriges Hochwasser, Flüsterasphalt) und stellt alle Planungen für eine außerörtliche Trasse ein.
Begründung:
Vorbemerkung: In der Kreisausschusssitzung vom 19.02.02 wurde auf meinen Antrag hin, der Verfasser der "Verkehrsprognose KEH 30 bis zum Jahr 2015" eingeladen. Er sollte offene Fragen zu seiner Prognose vom 02.10.01 beantworten. In einem dicht gedrängten Vortrag konnten die Kreisausschussmitglieder erstmals Details des Zustandekommens der Prognose erfahren. Parallel dazu erhielten die Kreisräte mit Beginn der Sitzung (nicht im Voraus mit Vorbereitungsmöglichkeit, sondern als Tischvorlage) eine Vollversion der Prognose (Stand Februar 2001). Diese Fassung hatte ein mehrfaches Volumen (13 Blätter) als die den Kreisausschussmitgliedern in der Sitzung vom 19.11.2001 vorgelegte Kurz-Version (3 Blätter).
Obwohl keine Möglichkeit des Studiums der schriftlichen Vollversion der Verkehrsprognose vor der Sitzung bestand, konnte ich bereits in der Sitzung am 19.02.02 aufgrund des mündlichen Vortrages des Verkehrsgutachters zahlreiche Schwächen und Unzulänglichkeiten der Verkehrsprognose aufzeigen. Weitere gravierende Schwächen der Prognose wurden in der Sitzung seitens des Verkehrssachgebietes des LRA Kelheim moniert.
Nach einem ausführlichen Studium der schriftlichen Unterlagen (Vollversion Verkehrsprognose, Aufzeichnungen über die Ausführungen des Rechtsgutachters und des Verkehrssachgebietes des LRA Kelheim) bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die verkehrsfachliche und rechtliche Sachlage, sowie die örtlichen Gegebenheiten eine erfolgversprechende Durchführung des Planfeststellungsverfahrens für die außerörtliche Trasse ad absurdum führen.
Begründung im Einzelnen:
1. Verkehrsprognose
Die Verkehrsprognose basiert nur auf theoretischen Berechnungen und hat die tatsächliche örtliche verkehr-stechnische und Unfallsituation außer Acht gelassen (Zitat Gutachter: "Hierzu hatten wir keinen Auftrag"):
1.1. Die künftigen potentiellen Unfallstellen der beiden außerörtlichen Abbiegepunkte von der neu ausgebauten B 301 zur Umgehungstrasse (beide Straßen mit 100 km/h zulässiger Geschwindigkeit ohne realistische Beschränkungsmöglichkeit) und von der Umgehungstrasse zur Diskothek wurden nicht im Einzelnen berücksichtigt.
1.2. Es wurde nicht berücksichtigt, dass auf der bestehenden und verbleibenden Trasse nach wie vor Verkehr stattfinden wird. Insbesondere der Punkt der Wegabkürzung bei Querung des Abenstales auf der alten Trasse wurde völlig außer Acht gelassen.
1.3. Es wurde nicht die konkrete bauliche Umgebung der innerörtlichen Trasse gewürdigt. Auf der innerörtlichen Trasse liegen nur 5 Wohn-Anwesen an.
1.4. Keinerlei Berücksichtigung fanden die tatsächlichen Unfallzahlen der örtlichen polizeilichen Unfallstatistik. Hiernach ereigneten sich laut Angaben des LRA folgende Unfälle:
1993 (1 Unfall mit 1 Schwerverletzten aufgrund Vorfahrtsverletzung); 1994 (0); 1995 (2 Unfälle mit Sachschaden, Vorfahrtsverletzung); 1996 (2 Unf., einer mit Sachschaden und einer mit einem Leichtverletzten); 1997 (0); 1998 (1 Unfall mit einem Verletzten bei Trunkenheitsfahrt); 1999 (1 Unfall mit Sachschaden bei Trunkenheitsfahrt); 2000 (0) 2001 (0)
Auch wenn jeder Unfall ein bedauerlicher Zwischenfall ist, so zeigen diese Zahlen jedoch eindeutig, dass die Unfallsituation auf der bestehenden innerörtlichen Trasse im statistischen Vergleich mit anderen Kreisstraßen absolut unauffällig ist.
Für ein aussagekräftiges Gutachten wäre es zudem erforderlich gewesen, die jetzige theoretische Prognose in Relation zu den tatsächlichen Unfallzahlen der vergangenen 9 Jahre zu setzen. Leider ist dies nicht erfolgt, da dies nicht im Auftragsumfang für den Gutachter enthalten war.
1.5. Es wurde in der Diskussion völlig außer Acht gelassen, dass bei einer Sanierung der innerörtlichen Trasse auch hier bereits laut Prognose die ohnehin schon sehr niedrigen Unfallzahlen mit Personenschäden noch weiter um 12,5 Prozent abnehmen würden.
1.6. Es erfolgte keine direkt vergleichende gutachterliche Aussage zu der Unfallträchtigkeit der bestehenden einzigen innerörtlichen (bei 50 km/h Fahrgeschwindigkeit) und der künftigen zwei außerörtlichen Abbiege- und Einbiegevorgänge (bei 100 km/h Fahrgeschwindigkeit).
2. Rechtsgutachten
Das Rechtsgutachten hängt nach Aussage des befragten Rechtsanwaltes zwingend von dem erstellten naturschutzfachlichen Gutachten und der Verkehrsprognose ab.
2.1. Naturschutzfachliches Gutachten
Die Befragung des Erstellers des Rechtsgutachtens hat ergeben, dass die Auffassung des Naturschutzsachgebietes zur naturschutzrechtlichen Einstufung des betroffenen Gebietes mit seiner Tierwelt unter die strengen Eingriffskriterien des Art. 6a Bayerisches Naturschutzgesetz richtig war.
2.2. Verkehrsprognose.
Bei der Begründung der Befürworter der außerörtlichen Trasse wurde mehrmals eine Reduzierung der Personenschäden auf der außerörtlichen Trasse im Vergleich zur innerörtlichen Variante um 37,5 % genannt. Die Reduzierung beträgt laut Prognose aber nur 25 %, da auch beim innerörtlichen Ausbau die Unfallzahlen um 12,5 % sinken würden.
Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unfallzahlen unter 1.4. ergibt sich somit folgendes Bild. In 9 Jahren wurden 3 Personen bei Unfällen auf der bestehenden Trasse verletzt, einer bei einer Trunkenheitsfahrt (wobei anzumerken ist, dass aufgrund Trunkenheit, völlig unabhängig von der jeweiligen örtlichen Gegebenheit, bereits massiv das allgemeine Unfallrisiko ansteigt).
Durchschnittlich wurden somit in den letzten 9 Jahren pro Jahr 0,33 Personen verletzt (incl. Trunkenheitsfahrt) bzw. 0,22 Verletzten pro Jahr (ohne Trunkenheitsfahrt). Auf der außerörtlichen Trasse würde sich laut Prognose die Unfallzahl mit Verletzten pro Jahr theoretisch auf 0,21 V/J bzw. 0,14 V/J reduzieren. Auf der innerörtlichen Trasse ergäbe sich eine theoretische Reduzierung auf 0,29 V/J bzw. 0,19 V/J.
Die Differenz zwischen außerörtlicher und innerörtlicher Variante beträgt somit exakt pro Jahr sagenhafte 0,08 V/J mit Trunkenheit (= ein Unfall mit Personenschaden in 12,5 Jahren) und 0,05 V/J ohne Trunkenheit (= ein Unfall mit Personenschaden in 20 Jahren).
Unter Berücksichtigung des gutachterlichen Außerachtlassens der o. g. gefährdungserhöhenden Positionen bei der außerörtlichen Trasse (s. 1. Verkehrsprognose) ist nicht nur mit einer weiteren Reduzierung der prognostizierten Differenz der Unfallzahlen zwischen den beiden Trassen, sondern sogar mit einer Umkehr des Gefährdungspotentiales zu rechnen. Beachte: Der Verkehrsgutachter hat in der Kreisausschusssitzung vom 19.02.02 gesagt, dass er bei Abfassung der Prognose die tatsächlichen Unfallzahlen nicht kannte (kein Gutachtensauftrag). Sollten diese jedoch sehr niedrig sein, dann kommen wir einen Bereich, in dem statistische Aussagen nicht mehr möglich sind. Damit fällt das gesamte Rechtsgutachten.
3. Kosten
Mittlerweile wurden vom Kreisausschuss mit den Stimmen von Landrat, CSU, SPD, FW und SLU gegen die Stimme der ÖDP bereits ca. 50.000 Euro für Gutachten in Sachen Machbarkeit KEH 30 in Auftrag gegeben. Von der Regierung von Niederbayern wurde in Aussicht gestellt, dass 75.000 Euro an Naturschutzfördergeldern im Falle einer außerörtlichen Trassierung rückgefordert werden. Das Planfeststellungsverfahren für die außerörtliche Trasse wird Kosten in Höhe von mindestens 65.000 Euro mit sich bringen (für die innerörtliche ist keines erforderlich). Dies sind insgesamt 190.000 Euro, wovon zumindest noch die Ausgabe von 140.000 vermieden werden kann, wenn jetzt die Notbremse gezogen wird.
Außerdem fallen im Fall der außerörtlichen Neutrassierung Unterhaltungskosten für zwei Straßenkörper an!
4. Realisierbarkeit der Trassen
Die Aussage des Juristen Dr. Fischer vom LRA Kelheim über die Erfolgsaussichten eines Planfeststellungsverfahrens in Höhe von 5 % konnte nach den bisher vorliegenden Argumenten nicht entkräftet werden, sondern wurde sogar noch untermauert. Von klagebefugten Anliegern an der außerörtlichen Trasse wurde bereits angekündigt, dass sie den vollen Gerichtsweg gegen einen eventuellen Planfeststellungsbeschluss für eine außerörtliche Trasse beschreiten würden (viele Jahre dauerndes Gerichtsverfahren durch die Instanzen).
5. Glaubwürdigkeit der Politik
Der Landkreis mit dem Landrat an der Spitze (gleichzeitig Chef des Landschaftspflegevereines) stellt sich als Musterknabe in Sachen Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 21 dar. Wenn aber wie im vorliegenden Fall ohne nachvollziehbare Notwendigkeit in Sachen Abwehr von Gesundheitsschäden (das Gegenteil ist der Fall, siehe 2.2.) trotzdem ein überregional wertvolles Biotop massiv beeinträchtigt, unnötig Boden im Hektarbereich neu versiegelt und Mehrkosten im Bereich von einigen 100.000 Euro in Kauf genommen werden sollen, dann schadet das massiv der Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt.
Sehr geehrter Herr Landrat, angesichts dieser Fakten, bitte ich Sie und die Kollegen des Kreisausschusses nochmals dringendst darum, ihre Abstimmungshaltung zu überdenken und die genannte Notbremse mit der Aufhebung des Kreisausschussbeschlusses vom 19.02.02 zu ziehen. Nur so kann dem Interesse der Anlieger nach einer baldigen und auch realisierbaren Lösung nachgekommen werden. Auch im Interesse des Steuerzahlers und der Glaubwürdigkeit der Politik darf ich um die Notbremse bitten.
Ergebnis: Der ÖDP-Antrag wird mehrheitlich, insbesondere auch auf Betreiben des Landrates, abgelehnt. Lediglich der Abensberger Bürgermeister und CSU-Kreisrat Dr. Brandl stimmte mit ÖDP-Kreisrat Peter-Michael Schmalz gegen eine Ablehnung des Antrages.