Pressemitteilung
Kreis-ÖDP fordert nicht nur Berufsoberschule für den Landkreis Kelheim, sondern auch sozial gerechte Zugangsbedingungen an die weiterführenden Schulen und Hochschulen: Abschaffung Büchergeld
Antrag von ÖDP-Kreisrat Peter-Michael Schmalz im Kreistag Kelheim
Zu der Kreisausschusssitzung am 19.09.05 darf ich seitens der ÖDP im Kreistag folgendes feststellen.
1. Inhaltlich deckt sich Ihre Forderung nach Errichtung eines Berufsoberschule im Landkreis Kelheim mit der Position der ÖDP, Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche soweit möglich wohnortnah zu gewährleisten.
2. Ihr Resolutionsentwurf greift uns jedoch zu kurz.
Die Position der ÖDP ist die, dass nicht nur ein (kommunales) Schulgebäude mit (staatlichen) Lehrern wohnortnah (und unter Einsparung der Gastschulbeiträge an andere Landkreise) angeboten werden soll, es sollten auch die Rahmenbedingungen für die Schüler beachtet werden. Insbesondere liegt der ÖDP auch die Gewährleistung eines unterschiedslosen Zuganges zwischen Arm und Reich zu den verschiedenen Schulzweigen am Herzen.
Wie die PISA-Studie gezeigt hat, ist Bayern das Bundesland mit dem größten Defizit in Sachen fairer Bildungschancen für Kinder aus ärmeren Verhältnissen.
Und genau hier sollte eine Resolution an das Kultusministerium auch zusätzlich zu den von Ihnen aufgeführten Punkten ansetzen.
So gehören aus unserer Sicht:
a) das Verwaltungsmonster Büchergeld (Zitat Kreiskämmerei: 50% des Büchergeldes gehen für die Verwaltung drauf) wieder abgeschafft und eine echte Lernmittelfreiheit wieder eingeführt, gerade auch vor dem Hintergrund, dass Eltern von Schülern bereits jetzt eine Vielzahl von Ausgaben für ihre Kinder an den Schulen tragen müssen (Hefte, Schreibmaterialien, Schultaschen, Kauf bestimmter Bücher in die auf Anraten der Lehrer hinein geschrieben werden sollte (z. B. Lateinbücher), Formelsammlungen, Kopiergeld, Schulausflugskosten, Schulatlanten, Schulwegkosten an weiterführenden Schulen usw.)
Seitens der ÖDP dürfen wir darauf hinweisen, dass dieses Büchergeld-Gesetz den unvermeidbaren finanziellen Bedarf der Familien erhöht und damit eindeutig dem Tenor einer Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts widerspricht. Beispielsweise hat das höchste deutsche Gericht 1998 die Politik in einer denkwürdigen Entscheidung verpflichtet, bei den Steuerfreibeträgen nicht nur an das „sächliche Existenzminimum“ zu denken, sondern auch den nötigen Erziehungsbedarf abzudecken! In einer späteren Entscheidung des BVG wurde die Legslative aufgefordert, bei jeder Änderung in der Sozialpolitik die Auswirkungen auf die Familien besonders zu beachten. Dieses muss nach unserer Auffassung erst recht auch für die Bildungspolitik gelten. Mehrfach führten Gerichtsentscheidungen dazu, dass der vom Gesetzgeber zu gering angesetzte Familienlastenausgleich, nachgezahlt werden musste (allerdings nur an die, die dem Staat mißtraut und (voll berechtigt) Einsprüche gegen einen zu geringen Familienlastenausgleich eingelegt hatten)
Diese Vorgaben des BVerfG haben die Staatsregierung und die CSU-Landtagsmehrheit bei der Büchergeldentscheidung insbesondere gegenüber den Familien mit geringem Einkommen, die aber gerade knapp überhalb der Sozialhilfegrenze liegen, missachtet.
Eltern haben einen Anspruch auf die Freistellung des Existenzminimums ihrer Kinder von der Steuer. Wenn jetzt ein neuer Pflichtbeitrag für die Schulen eingeführt wird, kommt dies einer Schmälerung des Familienunterhalts gleich. Im Gegenzug müsste eigentlich der Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld erhöht werden, weil der Bedarf für das Existenzminimum eines Kindes in Bayern gestiegen ist. So lange diese Anhebung nicht geschieht, ist unserer Meinung nach das Büchergeld verfassungswidrig.
b) keine Studiengebühren eingeführt, welche Schüler gerade auch aus Berufsoberschulen abschrecken, ein Studium auf Schuldenbasis z. B. an einer Fachhochschule zu beginnen. Vor wenigen Tagen war bayernweit in der Presse zu lesen, dass Erhebungen in Deutschland ergeben haben, dass Schüler wegen der Studiengebühr davor zurück schrecken, trotz vorhandener schulischer Voraussetzungen, ein Studium aufzunehmen. Wir sollten also nicht nur eine wohnortnahe Berufsoberschule, welche den Erwerb der Fachhochschulreife ermöglicht, fordern und einrichten, sondern wir sollten gleichwertig darauf achten, dass der angebotene zweite bzw. dritte Bildungsweg auch tatsächlich fair und gleichberechtigt zwischen arm und reich genutzt werden kann.
Um Aufnahme der Anregungen der ÖDP in den Resolutionstext wird gebeten.
Mit freundlichen Grüßen
Peter-Michael Schmalz
Ergebnis: Neben einem einstimmigen Antrag des Kreistages beim Kultusministerium auf Einrichtung einer Berufsoberschule in Kelheim, wird der ÖDP-Antrag auf eine Landkreis-Resolution zur Abschaffung des Büchergeldes an den Kreisausschuss verwiesen, bis genauere Finanzdaten der Verwaltung vorliegen.