Pressemitteilung
Antrag FFH-Prüfung Dammbau Staubing/Stadt Kelheim
Sehr geehrter Herr Regierungspräsdent Haselbeck,
(Leiter der Höheren, für FFH-Gebiete in Niederbayern zuständige Naturschutzbehörde)
am 04.08.2018 habe ich mich schriftlich (Text und Bilddokumentation) in meiner Funktion als Kreisrat/Sprecher der ÖDP-Kreistagsfraktion an Landrat Martin Neumeyer gewandt, mit der Bitte, die einzige flußmittige und bereits bei Mittelwasser größere natürliche Kiesbank der (unregulierten) Donau im deutschen Staatsgebiet (sie liegt auf Höhe des Ortsteils Staubing der Stadt Kelheim) zu erhalten. Die Kiesbank liegt im FFH-Gebiet des Donautals. Sie ist durch die geplante Errichtung eines halbkreisförmigen Umgehungs-Hochwasserdamms im natürlichen Überschwemmungsgebiet der Donau bei Staubing mittelbar in ihrem Fortbestand bedroht.
Anlaß für den geplanten Dammbau ist der Umstand, dass zwar die Mehrzahl von ca. 10 betroffenen Grundstückeigentümern am donauseitigen Ortsrand von Staubing, jedoch eben nicht alle, ein Absiedlungsangebot des Freistaates Bayern aus dem vom Hochwasser betroffenen Gebiet heraus angenommen haben.
Anlaß für meine Initiative zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Befahrung/Befliegung des Gebiets zwischen Weltenburg und Neustadt/Do. zum Zeitpunkt historisch niedrigen Wasserstands im August 2018. Dabei ist die besondere Bedeutung dieser einzigartigen Kiesbank erst voll umfänglich klar geworden.
Laut Auskunft der Planfeststellungsbehörde LRA Kelheim (Sachgebiet Wasserrecht) vom August 2018 läuft das Planfeststellungsverfahren für den Deichbau, wobei das Amt mit einem Abschluss bis Ende des Jahres rechnet.
Bei einem anschließenden persönlichen Termin mit Landrat Martin Neumeyer im August 2018 habe ich ihm die detaillierte naturschutzfachliche Bedeutung und naturschutzrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dieser einzigartigen Kiesbank dargelegt. Dezidiert habe ich die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsstudie (Verschlechterungsverbot des naturschutzfachlichen Ist-Zustands) des geplanten und in der aktuellen Planfeststellung befindlichen Dammbaus im natürlichen Überschwemmungsgebiet gefordert. Außerdem habe ich um Prüfung der Nichtvereinbarkeit des Projekts Dammbau mit der Europäischen Wasserrechtsrahmenrichtlinie (WRRL) und dem speziellen deutschen Artenschutzrecht (§§ 44, 45 BNatSchG).
Der Dammbau in der vorliegenden Form bedeutet:
- eine Zerstörung und Verlust natürlichen Retentionsraums,
- eine Verengung des Hochwasserabflusskorridors (das geographisch linke, gegenüberliefende Ufer ist aufgrund seiner Ausprägung als steiler Berghang nicht verschiebbar),
- die sehr wahrscheinliche Abtragung der gegenüberliedenden einzigartigen Kiesbank durch geänderte Strömungsverhältnisse bei Hochwasser (Beachte: Die Geschiebezufuhr von stromaufwärts ist durch die Staustufen Vohburg usw. zu großen Teilen unterbrochen, so dass ein Wiederaufbau unwahrscheinlich ist)
- einen Rückstau von Hochwasser zum gegenüber liegenden Weiler Haderfleck (linkes Donauufer), wo mindestens ein Anwesen nach dem Dammbau dann verstärkt von Hochwasser betroffen sein wird (eventuell Neudefinition HQ 100)
- einen Rückstau zumindest in die nördliche Eininger Flur (rechtes Donauufer), mit eventuell notwendiger Neudefinition des HQ 100;
- möglicherweise ebenso einen erhöhten Rückstau in die nördliche Hienheimer Flur
- den Verlust von zwingend notwendigen Lebens- und Fortpflanzungsstätten für kieslaichende Fische (Huchen, Äsche, Bachforelle, Nase, Barbe, Zingel) und ihrer Nahrungsgrundlagen wie Kleinkrebsarten und Insektenlarven
- den Verlust eines extrem seltenen natürlichen Brutplatzes der Rote-Liste-Vogelart Flußregenpfeifer im deutschen Donaugebiet (Zeigerart für natürliche Kiesbänke und der damit einhergehenden typischen Biozönose)
- den Rastplatzverlust im Frühjahrs- und Herbstzug für eine ganze Reihe von Watvögeln (z. B. Bruch- und Waldwasserläufer)
- den Verlust des natürlichen Lebensraums für weitere spezialisierte Tierarten (Muscheln, Schnecken usw.)
- den Verlust eines insbesondere auch optischen Naturjuwels. Vom Südostufer der Donau bei Staubing (Donauradweg) sieht man mit Blickrichtung Nordwesten auf engstem Raum vier zusammenhängende verschiedene Lebensräume:
a) die freifließende Donau;
b) die in der deutschen Donau einzigartige, mehrere hundert Meter lange flußmittige und in Abschnitten stromschnellenartig überspülte Kiesbank (ansonsten nur in Flußoberläufen alpiner Flüsse zu sehen);
c) einen naturnahen, steilen und unmittelbar bis an die Donau reichenden reinen Laub-Hangleitenwald;
d) einen unmittelbar anschließenden größeren Mager-/Trockenrasen.
Ferner widerspricht der geplante Dammbau mit seinen Folgewirkungen dem inhaltichen Zielansatz folgender (freiwilliger) aktueller Arten- und Biotopschutzprojekte im Donauabschnitt zwischen Weltenburg und Neustadt/Do:
> Am 24.09.2018 hat der Kreisausschuss des Landkreises Kelheim beschlossen, am BayernNetzNatur-Projekt Donautal zwischen Neustadt/Do. und Weltenburg gemeinsam mit den Städten Neustadt/Do. und Kelheim teilzunehmen. Ziel des Projekts ist die Sicherung besonders wertvoller Biotopstrukturen.
> Wiedereinrichtung einer beständigen Population der mittlerweile extrem seltenen Donaubarschart Zingel, die um- und überströmte Kiesbänke zum Leben benötigt. Am Freitag, den 28.09.2018 fand hierzu mit dem Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Umwelt, Claus Kumutat, eine Besatzmaßnahme mit jungen Zingeln auf der Kiesbank beim Kloster Weltenburg satt.
Herr Landrat Neumeyer hat diese Informationen an die staatlichen Untere Naturschutz- und Wasserrechtsbehörde im Landratsamt weiter gegeben, die ihrerseits die Informationen an das WWA Landshut weiter gegeben haben.
Parallel dazu habe ich mich (auch in meiner zusätzlichen Funktion als Kreisvorsitzender des Arten- und Biotopschutzverbandes LBV nach interner Abstimmung) an die Kreisgruppe Kelheim des Bundes Naturschutz (BN) und an den Kreisfirschereiverein Kelheim (KFV), der das Fischereirecht in diesem Bereich besitzt, mit Erläuterung des gegenständlichen Sachverhalts gewandt.
Das Ergebnis ist, dass auch von diesen Verbänden der geplante Dammbau äußerst kritisch gesehen wird. Meine o. g. Forderung nach Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsstudie und Prüfung weiterer rechtlicher Vorschriften zur Ermittlung der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit des geplanten Dammbaus im natürlichen Retentionsraum der Donau im Hinblick auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden negativen Auswirkungen (insbesondere auf den naturschutzfachlich hochwertigen Fortbestand der o.g. genannten einzigen größeren flußmittigen Kiesbank der (freifließenden) Donau im deutschen Staatsgebiet) wird auch von den Verbänden erhoben . Bis jetzt wurde behördlicherseits die Gefahr für die Abtragung dieser Kiesbank noch nicht thematisiert. Deshalb wurde bis jetzt auch noch keine FFH-Verträglichkeitsstsudie des geplanten Dammbaus durchgeführt.
Gemeinsam möchten wir ausdrücklich betonen, dass wir uns dafür einsetzen, dass die von der Absiedelung betroffenen Grundstückseigentümer einen vollen Ersatz des ihnen durch die Absiedelung entstehenden Wertverlustes erhalten. Wir weisen außerdem darauf hin, dass auf Dauer eine Absiedelung, auch bei vollem Wertersatz der abgesiedelten Anwesen, mittel- und langfristig (Grundstückserwerb für den Dammbau, Dammbau und -unterhalt) volkswirtschaftlich deutlich günstiger ist, als die nun vorliegende Dammvariante im Überschwemmungsgebiet.
Letzter, völlig überraschender Sachstand: Heute am 05.10.2018, unmittelbar vor dem Versand dieses Schreibens (dessen Vorbereitung mit zugehöriger Datensammlung mehrere Wochen benötigte), habe ich vom Sachgebiet Wasserrecht des LRA Kelheim erfahren, dass der Deichbau durch das LRA Kelheim von dessen Sachgebiet Wasserrecht (nicht vom Landrat) mit Bescheid vom 12.09.2018 genehmigt wurde. Auf die Frage an den Sachbearbeiter, warum die Planfeststellung jetzt plötzlich so schnell (nach Kenntniserlangung der gegenständlichen Initiative zum Erhalt der einzigartigen Kiesbank und dem Antrag auf Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsstudie zum Deichbau) und nicht wie von ihm im August an mich mitgeteilt, erst Ende des Jahres abgeschlossen wurde, erhielt ich die Antwort, dass er von dritter Seite gebeten worden sei, das Verfahren schneller wie bis jetzt geplant, abzuschliessen.
Gegen den Bescheid sei nach Auskunft des SG Wasserrecht ken Widerspruch, sondern nur noch eine Klage innerhalb eines Monats seit Bescheidserteilung zulässig. Festzuhalten ist dabei, dass im Planfeststellungsverfahren keine FFH-Verträglichkeitsstudie durchgeführt wurde und dass der Bescheid aus diesem Grund unserer Auffassung nach rechtsfehlerhaft zustande gekommen ist.
Nach Auskunft des Sachbearbeiters des SG Wasserrecht soll sich das Abflussverhalten der Donau durch den Deichbau nur um ca. 2 cm ändern, also zu einer Erhöhung des Rückstaus um ca. 2 cm führen. Bezüglich der Änderung des Strömungsverhaltens der Donau bei einem stärkeren Hochwasserereignis in Richtung der seit vielen Jahren bestehenden flußmittigen o. g. einzigartigen Kiesbank konnte keine fachspezifische Aussage getroffen werden. Anmerkung von mir: Das verwundert nicht, weil die Prüfung der Gefahr für den Abtrag der einzigartigen Kiesbank nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens war.
In einem Telefongespräch mit Landrat Martin Neumeyer von heute morgen wurde ihm von mir mitgeteilt, dass von den gegenständlichen Initiativträgern hiermit folgende Anträge an das Landratsamt/Regierung von Niederbayern gestellt werden:
- Rücknahme des Bescheids des LRA Kelheim vom 12.09.2018, ersatzweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand des Verfahrens
- Nachholung einer FFH-Verträglichkeitsstudie und Nachholung der Prüfung von Verbotstatbeständen des speziellen Artenschutzrechts gemäß §§ 44, 45 BNatSchG